Wer bei Strafverfolgungsbehörden 250 Millionen Dollar an Kaution hinterlegen muss, der muss entweder ungeheuer reich sein oder eine Menge auf dem Kerbholz haben. Bei Sam Bankman-Fried könnte beides zutreffen. Der Gründer der Kryptobörse FTX muss sich seit Dienstag seinem Prozess stellen. Dabei geht es bei SBF - wie Fried allenthalben genannt wird - selbstverständlich um Superlative. Superlative in einem Skandal, der mehr als genug Stoff für einen unanständigen Krimi bietet.
Der Kryptomanager habe "einen Betrug gigantischen Ausmaßes begangen", warf die Staatsanwaltschaft SBF vor, als er im Dezember vergangenen Jahres verhaftet wurde. Und das erst, nachdem die US-Regierung eine Menge politischen und diplomatischen Druck auf die Bahamas ausgeübt hatte, Bankman-Fried überhaupt auszuliefern. Der hatte sich nach der spektakulären Pleite seiner Kryptobörse an deren Hauptsitz auf dem Archipel zurückgezogen.
Die Vorwürfe
Damit waren Milliarden Dollar an Kundengeldern verbrannt. FTX schuldet ihren Gläubigern seither rund acht Milliarden Dollar. Der Prozess in New York ist damit auch für die 2,4 Millionen Kundinnen und Kunden außerhalb der USA entscheidend. Bis heute hoffen viele von ihnen auf Entschädigung, auch wenn die Aussichten dafür auf Grund der Wertverluste von Kryptoanlagen nicht gut sind. Zudem sind bis zu zwei Milliarden Dollar spurlos verschwunden. Und genau darum geht es in den Verfahren.
Denn die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft SBF vor, in großem Stil Kundengelder veruntreut zu haben. Zudem sollen er und seine Kryptobörse Investoren getäuscht haben. Verschwörung, Wertpapierbetrug und Geldwäsche lauten daher die Vorwürfe, insgesamt sind es 13 Anklagepunkte, denen sich Bankman-Fried stellen muss. Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer Geschichte, die sich ab Mitte des vergangenen Jahres zuspitzte.
Der Absturz
Schon seit Jahresbeginn 2022 befindet sich der Bitcoin auf steilem Sinkflug. Einige Kryptobörsen müssen deswegen Konkurs anmelden. Das aber beschleunigt die Talfahrt digitaler Coins umso mehr. Im Herbst verdichten sich Hinweise, dass die Schockwellen des Niedergangs auch FTX erreicht haben. Gerüchte um eine mögliche Zahlungsunfähigkeit von FTX machen die Runde - zum damaligen Zeitpunkt einer der größten Kryptobörsen weltweit. Kunden und Investoren ziehen ihre Einlagen ab. Das kann auch bei stabilen Finanzinstituten in der analogen Welt verheerend sein. FTX, das Kartenhaus des Sam Bankman-Fried, stürzt ein.
Am 11. November schließlich meldet die Kryptobörse auf den Bahamas Insolvenz an. Der Handel mit virtueller Währung ist das Geschäft des Unternehmens. Mittlerweile fehlen ihm aber Milliarden in einer Hartwährung, um zahlungsfähig zu sein und die Geschäfte am Laufen halten zu können. In der Bilanz von FTX klafft am Ende ein Loch von etwa acht Milliarden Dollar.
Der Prozess
Die Kläger werfen Sam Bankman-Fried vor, Milliarden an Kundengeldern abgezweigt zu haben, um entstandene Verluste in einem seiner Hedgefonds auszugleichen. Der Fonds wiederum hatte jahrelang in großem Stil Kryptowetten gemacht - und sich spätestens mit den einsetzenden Turbulenzen am Kryptomarkt verzockt. Bankman-Fried bestreitet, Gelder willentlich abgezweigt zu haben. Er habe nur nicht ausreichend kontrolliert und die Übersicht über seine Geldströme verloren. Viele Experten aber gehen von einem Schneeballsystem aus. Das konnte so lange funktionieren, wie neue Kundengelder dem Unternehmen zuflossen. Als der Zustrom abebbte, brach das Kartenhaus zusammen. Andere sprechen schlicht von einem geplanten Diebeszug.
Was es genau war, wird der Prozess nun möglicherweise ans Licht bringen. Dabei handelt es sich um das bislang umfangreichste Verfahren im Umfeld der Kryptobranche. Viele Beobachter räumen dem Prozess auch deswegen einen hohen Stellenwert ein, weil er zeigen könne, ob die Behörden gegenüber neuen Technologien und Akteuren in der virtuellen Welt Zähne zeigen können. Denn die Regulierer rennen neueren Trends in der digitalen Welt regelmäßig hinterher.
Dabei sind hohen Schwankungen und Krisen in der Kryptowelt alles andere als neu - sie kehren regelmäßig wieder. Das erklärt sich zum Teil dadurch, dass der Kurs von Kryptowährungen ausschließlich durch Angebot, vor allem aber Nachfrage bestimmt ist. Erlahmt sie - wie es im Zuge spektakulärer Pleiten von Kryptobörsen der Fall ist - rauschen die Kurse in den Keller. Der älteste und bekannteste aller Kryptos, der Bitcoin, erreichte Ende 2021 ein Allzeithoch von fast 70.000 US-Dollar. Im vergangenen Dezember notierte er nur noch bei rund 16.000 Dollar.
Sam Bankman-Fried ist einer der Protagonisten, die zum Höhenflug wie auch zum tiefen Sturz der Kryptowährungen beigetragen haben.
Author: Jennifer Williams
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